Die Osterbotschaft in Coronazeiten

Die Osterbotschaft in Coronazeiten

Das Grab ist leer
Der Held erwacht
Der Heiland ist erstanden.
Da sieht man seiner Gottheit Macht
Sie macht den Tod zuschanden …

So beginnt eines der österlichen Kirchenlieder, die ich (Wilfried) als Kind mit Inbrunst gesungen habe. Ostern, die christliche Feier der Nichtigkeit des Todes, des Ewigen Lebens – was ist davon geblieben? Nichts. Welcher Priester, welcher Bischof, welcher Papst wagt es heute, an diesem Corona-Osterfest 2021, noch wie Jesus am Kreuz zu seinem Mitgehängten Barabbas zu sagen: „Fürchte dich nicht, schon morgen wirst du beim Vater sein“? Oder, etwas zeitgemäßer und profaner: „Liebe Christen und alle anderen, ihr müsst keine Angst vor dem Tod haben. So traurig er für die Hinterbliebenen sein mag, die Toten leiden nicht, sie sind bei Gott“ – oder: „Sie sind in ewiger Ruhe geborgen“?

Die Pfarrerstochter Angela Merkel wollte sogar alle Präsenzgottesdienste verbieten. Es herrscht, Corona zeigt es, die nackte Angst vor dem Tod, die nackte Angst – ja, wovor eigentlich? Vor unserem Nichtsein? Vor dem, wo wir vor unserer Geburt hergekommen sind? Oder doch nur vor dem Platzen unserer modernen Seifenblasenillusion, eigentlich müssten wir unsterblich sein? Wie auch immer: Die Angst beherrscht unser Leben. Anders als unsere (auch die sich christlich nennenden) Politiker und die selbsternannten Hüter der abendländisch-christlichen Kultur in den Medien wusste selbst der Atheist Rainer Maria Fassbinder: Angst essen Seele auf. Ja, unsere Seelen werden seit einem Jahr einem gewaltigen Stresstest unterzogen, und nicht wenige verkümmern dabei.

Man muss kein Christ sein, um im Tod etwas anderes zu sehen und ihm anders zu begegnen als der geistlose Materialismus unserer Zeit: ein großes Geheimnis, in dem wir geborgen sind, ein Teil des ewigen Kreislaufs, in dem Entstehen und Vergehen zwei Enden desselben Ganzen sind, das uns nicht nur hervorbringt und wieder aufnimmt, sondern als Geist immer in uns wirkt, aber nicht dasselbe ist wie das, was mit dem Sterben endet.

Und solang du das nicht hast
dieses Stirb und Werde
bist du nur ein trüber Gast
auf der dunklen Erde.

Johann Wolfgang von Goethe hat, wie immer, schöne und treffende Worte dafür gefunden. Das Leben ist nicht dasselbe wie die Gestalt, in der es erscheint. Was stirbt, was sich ständig wandelt, ist die Form, die Erscheinung, aber nicht das Leben selbst. Der moderne Materialismus hat dafür aber jeden Sinn verloren. Daher fallen wir von einer Angststarre in die nächste und ersticken das Leben, um nicht sterben zu müssen.

In meinem neuen Buch „Also sprach Corona. Die Psychologie einer geistigen Pandemie“ beschreibe ich diese Zusammenhänge und gehe der Frage nach, was Corona uns lehren kann, wenn wir auf die in dieser Pandemie enthaltenen Botschaften lauschen würden, anstatt uns damit zu betäuben, das Virus vernichten zu wollen und dieser illusorischen Idee in einem totalen Krieg alles Lebendige zu opfern.

Damit sind wir bei dem Thema, das seit einem Jahr alles überschattet, und kommen von der Religion und von unserem Verhältnis zum Tod zu den Alltagsgeschehnissen, mit denen wir alle konfrontiert sind.

Die Inzidenzzahlen gehen wieder einmal steil nach oben, nun bedingt durch die „Mutanten“ (nach der englischen Variante stehen viele weitere in den Startlöchern), und die „Dritte Welle“ ist, wie vom Orakel der Modellrechner angekündigt, da. Gleichzeitig wendet sich ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung ab von der fortwährenden Mobilisierung, schaut keine Nachrichten mehr, verliert das letzte Vertrauen in Politik, Medien und Wissenschaft, hat Angst vor dem wirtschaftlichen Ruin, wird psychisch krank oder rasend vor Wut darüber, dass Kinder und Alte weiter isoliert werden und man bei seinem Coffee to Go im Park von bewaffneter Polizei des Platzes verwiesen wird. In Bezug auf unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Verhältnis zwischen großen Gruppen von Bürgern und politischen Entscheidungsträgern sind wir in einer tiefen Spaltung angekommen. Mit Blick auf die politische Kultur steuern wir auf Katastrophen zu, die noch vollkommen andere Ausmaße haben könnten als die der Pandemie.

Die Politik verfolgt seit einem Jahr ihren Kurs des Virusabsolutismus. Dass elementare, in unserem Staatswesen eigentlich nicht verhandelbare Freiheitsrechte nun dauerhaft suspendiert sind, ist der neue Normalzustand. Der Kurs der Politik deutet auch darauf hin, dass eine Rückkehr in den Normalzustand nicht zeitnah angestrebt wird. Die Logik dieses neuentdeckten Autoritarismus verlangt eine immer neue Mobilisierung und Angstmache, um den eingeschlagenen Kurs zu halten. Auch wenn alle über 70jährigen bald ein Impfangebot bekommen haben werden, die bis dato 89% der an Corona verstorbenen Menschen in Deutschland ausmachen (Daten des RKI vom 23.3.21), gibt es keine Veränderung. Nun müssen halt die „Jungen“ vor sich selbst und ihrem Lebensstil geschützt werden. Der Organisationsweltmeister Deutschland wirkt dabei im Dilettantismus („Impfkampagne“, „Osterruhe“, „Corona-App“ etc.) und der sich zusätzlich offenbarenden Korruptheit und Korrumpierbarkeit einzelner Politiker fast wie ein „Failed State“.

Währenddessen sind es perverser Weise Despoten wie Alexander Lukaschenko in Weissrussland, die – in Bezug auf Corona – die Freiheit der Bürger bewahren. Da die Menschen in Belarus unter noch gravierenderen Problemen als Corona leiden (ja, so etwas gibt es), gibt es dort fast keine Lebenseinschränkungen. Sogar Eishockey- und Fußballspiele finden mit vielen tausend Zuschauern statt. Die offiziellen Zahlen werden mit Sicherheit gefälscht sein, aber wenn die Prognosen unserer Modellrechner stimmen würden, müsste das Land fast ausgestorben sein. Dies ist aber nicht geschehen. Die epidemiologische Situation ist ähnlich wie andernorts. Neben Diktatoren und Autokraten, die diesen Kurs aus reinem Opportunismus fahren, waren die Schweden die einzigen Demokraten, die auf erwachsene Eigenverantwortung gesetzt haben, statt die Menschen wie Kinder zu behandeln. Der dortige liberale Kurs schneidet am Ende nicht schlechter ab als in den Ländern Europas, die ihre Gesellschaften in einem Dauerlockdown eingesperrt haben. Auch in den USA hat sich gezeigt, dass Staaten ohne Lockdown, Maskenzwang und andere Einschränkungen (wie z.B. Florida) nach einem Jahr keine höheren Todeszahlen aufweisen als solche mit sehr strengen Maßnahmen.

Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der Tod eines geliebten Menschen ist ein großer Schmerz für die Betroffenen, Covid-19 eine ernsthafte Krankheit, die bei nicht wenigen für längere Zeit unangenehme Nachwirkungen bringt (ich (Malte) kann hiervon berichten), der Schutz unseres Gesundheitssystems ein wesentlicher Staatsauftrag, aber statt dieses zu verbessern, den Pflegeberuf nachhaltig aufzuwerten und zu entlohnen, die Behandlungskapazitäten zu erhöhen, setzt man seit einem Jahr nur auf ein einziges staatliches Mittel: Verbote und elterliche Bevormundung.

Wer sich heute für erwachsene Eigenverantwortung statt autoritärer Verbote, für dezentrale, pragmatische Lösungen statt von der lokalen Wirklichkeit entrückte europäische Pläne, zu Freiheit statt Zwang und zu der Einsicht bekennt, dass wir in einer Pandemie leben – was bedeutet, dass viele Menschen krank werden und einige sterben -, gilt im politisch-medialen „Neusprech“ als „rechts“, widerlich egoistisch oder hoffnungslos verspinnerter Esoteriker.

Wir haben uns im Laufe des ersten Coronajahres gefragt, ob wir uns dem Risiko aussetzen möchten, in diese Ecken gestellt zu werden, und uns dafür entschieden, dass wir uns nicht darum scheren und dem verpflichtet bleiben, was das Herz unserer Arbeit ist: der Wirklichkeit und der Wahrheit, so wie wir sie wahrnehmen. Wenn wir die Psychologie des Menschen nicht als etwas nur Individuelles begreifen, sondern als Resultat des Zusammenspiels zwischen unserem individuellen Wesen und dem kollektiven Geist, in dem wir leben, ist es unsere Aufgabe als Psychologen, die Pathologien des gegenwärtig pandemischen Zeitgeistes zu spiegeln und zu benennen. Dass dabei unsere eigenen biografischen Prägungen und blinden Flecken mit einfließen, ist eine natürliche psychologische Tatsache, der wir versuchen dadurch Rechnung zu tragen, dass wir offen sind, uns zu hinterfragen, Einsichten zu verändern und von der Wirklichkeit belehren zu lassen.

Wir bekommen zu dieser Haltung viel Zuspruch, ja sogar große Dankbarkeit. Das tut uns persönlich sehr gut, und dafür möchten auch wir uns bedanken. Einige wenige wenden sich auch ab, auch das ist normal und wir respektieren dies voll und ganz. Keiner weiß die Wahrheit über das, was gerade abläuft. Aber in Bezug auf unsere Wahrnehmung bekennen wir frei nach einem alten deutschen Landsmann: Hier stehen wir und können nicht anders. Und wollen auch nicht anders.

Wilfried & Malte Nelles, veröffentlicht am 01.04.2021

 

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